Was haben Wale mit Klimaschutz zu tun?

Seit einigen Jahren werden Walen neben kulturellen, sozialen und musikalischen Eigenschaften auch noch weitere Eigenschaften nachgesagt: Wale sind Klimaretter! Grund hierfür ist eine 2019 erschienene Studie des Internationalen Währungsfonds (IWF), welche besagte, dass Wale eine bedeutende Rolle in der Kohlenstoffbindung spielen. Die Autoren argumentierten, dass ein einzelner Großwal während seines Lebens etwa 33 Tonnen CO₂ speichert. Nach seinem Tod sinkt der Wal auf den Meeresboden, wo sein Kohlenstoff für Jahrhunderte in den Sedimenten gebunden bleibt – ein Effekt, der mit der Kohlenstoffspeicherung in Wäldern verglichen wurde.

Zudem postulierte die Studie, dass Wale durch ihre „Wal-Pumpe" und das „Wal-Förderband“-Phänomen das Wachstum von Phytoplankton fördern. Phytoplankton absorbiert große Mengen CO₂ – bis zu 37 Milliarden Tonnen jährlich –, sodass eine Erholung der Walpopulationen auch die Meeresproduktivität steigern und den Kohlenstoffkreislauf positiv beeinflussen könnte. Die Forscher gingen davon aus, dass eine Rückkehr der Wale zu ihren historischen Populationen den Kohlenstoffabbau im Meer erheblich steigern und den Klimawandel bekämpfen könnte.

Eine neuere Studie hat allerdings Zweifel an dieser Einschätzung.

Was wissen wir über die Verbindung von Walen und CO₂?

Eine Tatsache ist klar: Wale tragen durch ihre alle Ozeane umspannende Aktivitäten wesentlich zur Verteilung von CO₂ bei. Zum Beispiel nehmen Plankton und Fische atmosphärisches CO₂ und werden dann von Walen gefressen, welche eben dieses CO₂ in ihren Körpern speichern. Wenn Wale sterben, sinken diese oftmals auf den Meeresgrund ("Whale falls"), wo entweder Sedimente das CO₂ speichern oder dieses durch Aasfresser an andere Arten weitergegeben wird. Mit anderen Worten aber: Das CO₂, das von Walen aufgenommen wurde, tritt nicht wieder in die Atmosphäre aus.

Überdies fand die IWF-Studie, das Wale durch ihre Ausscheidungen (Kot) das Wasser mit Nährstoffen anreichern. Dieses fördert das Wachstum von Phytoplankton (Mikroalgen), welche ihrerseits große Mengen an CO₂ aufnehmen können. Dieser Prozess wird als "Wal-Pumpe" bezeichnet.  Darüber hinaus bedeutet dieser Prozess, dass Wale über große Gebiete und Strecken Nährstoffe verteilen, was langfristig dazu beitragen könnte, dass mehr Mikroalgen wachsen, die mit Sonnenlicht CO₂ aufnehmen und als Nahrung für andere Meereslebewesen dienen. Dieser Prozess wird seinerseits als "Wal-Förderband" bezeichnet. 

Eine kritische Perspektive

Obwohl diese Prozesse wissenschaftlich belegt sind, heißt dies nicht gleich, dass Wale "Klimaretter" sind. Eines ist klar: Ja, Wale haben durchaus einen Effekt auf den Kohlenstoffkreislauf des Ozeans, aber dieser ist geringer, also oft behauptet wird.  

Die Gründe hierfür sind vielfältig und können in vier wesentliche Punkte unterteilt werden:

  1. Die Effekte sind relativ beschränkt. Zwar speichert ein einzelner Wal in seinem Leben rund 33 Tonnen CO₂, doch im Vergleich zu den weltweiten Emissionen (über 40 Milliarden Tonnen pro Jahr) ist das ein winziger Bruchteil. Selbst wenn alle Walpopulationen wieder ihre historischen Bestände erreichen würden, wäre ihr Beitrag zur CO₂-Reduktion kaum spürbar.
  2. Kohlenstoff bleibt nicht unbedingt gespeichert. Phytoplankton nimmt zwar CO₂ auf, aber es wird schnell von anderen Meerestieren gefressen – und diese setzen den Kohlenstoff oft wieder als CO₂ frei, bevor er in der Tiefsee gespeichert werden kann. Ähnliches gilt für Wal-Kadaver: Viele treiben an die Oberfläche oder werden von Aasfressern zersetzt, anstatt tatsächlich in der Tiefsee dauerhaft Kohlenstoff zu binden.
  3. Wissenschaftliche Unsicherheiten. Viele Behauptungen über Wale und Klimaschutz beruhen auf Modellrechnungen, also theoretischen Schätzungen, die nicht immer mit realen Daten überprüft wurden. Besonders in den Medien werden diese Zahlen oft vereinfacht dargestellt, ohne die Unsicherheiten zu erwähnen.
  4. Der Klimawandel könnte die Wirkung der Wale weiter verringern. Durch steigende Meerestemperaturen und veränderte Strömungen könnte das Phytoplankton in wichtigen Walgebieten abnehmen. Außerdem stehen viele Walarten unter Druck, weil sich ihre Nahrung durch Überfischung und Umweltveränderungen verringert.

Wale sind zwar wichtig, aber keine Lösung für den Klimawandel

Wale sind beeindruckende Tiere mit einer wichtigen Rolle im Ökosystem. Ihr Schutz ist ein Beitrag zum Erhalt der Meere, aber sie allein können den Klimawandel nicht aufhalten. Der wichtigste Hebel zum Eindämmen der Klimaveränderungen bleibt die drastische Reduktion unserer CO₂-Emissionen. Und hierbei dürfen wir uns nicht auf die Wale verlassen, sondern müssen aktiv an der Begrenzung bzw. der Aufgabe von Emissionen sowie der Renaturierung von natürlichen Senken wie Mooren arbeiten. 

Das bedeutet: Wir brauchen gesunde Ozeane, aber vor allem auch weniger fossile Brennstoffe und mehr Klimaschutzmaßnahmen an Land.